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Zum Thema Familienrecht
- Anerkennung der Vaterschaft: Mutter und biologischer Vater müssen sich Kosten im Anerkennungsverfahren teilen
- Ausländischer Unterhaltstitel: Kein vereinfachtes Unterhaltsverfahren bei bereits vorliegender Gerichtsentscheidung
- Erwachsenenadoption: Finanzielle Vorteile allein erfüllen nicht Voraussetzung einer Eltern-Kind-Beziehung
- Geschuldeter Kindesunterhalt: Auch Taschengeldanspruch neuem Ehegatten gegenüber muss eingesetzt werden
- Kindeswohl im Mittelpunkt: Maßnahme des Kindesschutzes darf nicht zur Bestrafung der Eltern herhalten
Bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren entstehen nachvollziehbarerweise Kosten. Wie diese aufgeteilt werden und worin hierbei die entscheidenden Unterschiede zu sonstigen Streitverfahren liegen, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) klären - und vor allem auch begründen.
Im Zuge eines Abstammungsverfahrens hatte eine Mutter eingeräumt, mit dem möglichen Vater während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Durch einen außergerichtlichen Vaterschaftstest wurde die Vaterschaft auch bereits bestätigt. Nun aber wollte das Kind die Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen. Dem kam das Amtsgericht (AG) durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten auch nach. Als der Mutter dann die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt wurde, legte sie Beschwerde ein.
Die Mutter scheiterte mit ihrer Beschwerde jedoch vor dem OLG, denn das AG durfte ihr nach billigem Ermessen die hälftigen Kosten auferlegen. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren sei schließlich kein echtes Streitverfahren, weswegen die Kosten nicht nur danach verteilt werden, wer das Verfahren "gewonnen bzw. verloren" hat. Es spielen noch andere Umstände eine Rolle, zum Beispiel ob eine Partei das Verfahren grob schuldhaft veranlasst hat. Dies war hier weder bei Vater noch Mutter der Fall. Der Vater muss sich zum einen nicht auf einen außergerichtlichen Vaterschaftstest verlassen, zum anderen gehören zu einer Schwangerschaft ja auch immer zwei Personen. Insofern ist es nur gerecht, dass sich die beiden auch die Kosten des Verfahrens teilen.
Hinweis: Wird ein gerichtliches Vaterschaftsanerkennungsverfahren durchgeführt, können die Kosten zwischen dem ermittelten biologischen Vater und der Mutter hälftig geteilt werden. Mitgefangen - mitgehangen, könnte man salopp sagen. Selbst, wenn der Vater nicht zu einem Privatgutachten bereit und nach Angaben der Mutter auch der einzig mögliche Erzeuger ist, wäre es nicht gerechtfertigt, ihm die kompletten Kosten aufzubürden. Was das Gericht jedoch auch klargestellt hat, ist, dass eine Beteiligung des Kindes an den Kosten grundsätzlich nicht möglich ist. Denn selbst "als dritter Beteiligter" in dieser Konstellation hat das Kind nichts zur Unsicherheit über eine Vaterschaft beigetragen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.01.2025 - 6 WF 155/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Über unterhaltsrechtliche Streitigkeiten kann ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt werden. Dies ist aber dann nicht möglich, wenn bereits ein Gericht über den Unterhalt entschieden hat. Liegt also zu einer Streitigkeit bereits ein Titel aus dem Ausland vor, bleibt Gerichten nichts anderes übrig, als so zu entscheiden, wie es auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) getan hat.
Die Eltern zweier Kinder leben getrennt. Die Kinder leben im Haushalt des Vaters, weshalb dieser auch das Kindergeld erhält. Seit November 2023 bekam der Vater zudem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Der Vater forderte die Mutter daher schriftlich auf, Auskunft über Einkünfte und Vermögen zu erteilen und Unterhalt zu zahlen. Die Mutter verweigerte jedoch die Annahme eines Aufforderungsschreibens und behauptete, das vorige Schreiben nie erhalten zu haben. Also zog der Vater vor Gericht und beantragte im März 2023 im vereinfachten Verfahren die Festsetzung laufenden Kindesunterhalts für beide Kinder ab Dezember 2023 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds. Die Mutter behauptete, dass das vereinfachte Verfahren hier unzulässig sei, da es bereits eine ausländische Entscheidung gibt. Sie legte diese auch in Kopie vor. Zudem habe sie noch zwei Kinder, weswegen der Unterhalt sie in ihrer Existenz gefährden würde.
Vor dem OLG wurde der Antrag des Vaters zurückgewiesen. Da § 249 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch Entscheidungen ausländischer Gerichte über Kindesunterhalt erfasst, musste der Antrag des Vaters abgelehnt werden. Ob die ausländischen Titel zur Zwangsvollstreckung geeignet sind, spielt dabei keine Rolle. Es soll verhindert werden, dass unterhaltsrechtlich maßgebliche Verhältnisse doppelt geprüft werden. Genau das wäre hier aber der Fall gewesen.
Hinweis: Bei unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten im vereinfachten Verfahren ist also immer genau zu prüfen, ob schon ein Titel vorliegt oder nicht.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.02.2025 - 6 UF 11/25
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Eine Adoption bereits erwachsener Personen ist dann möglich, wenn eine Eltern-Kind-Beziehung anzunehmen ist. Leibliche Eltern und Kinder sind bereit, sich lebenslänglich gegenseitig Beistand zu leisten. Bei einer Erwachsenenadoption muss dieses soziale Gefüge auch feststellbar sein. Rein finanzielle Vorteile reichen hierzu nicht aus, wie das Oberlandesgericht Köln (OLG) kürzlich bekräftigt hat.
Ein Onkel wollte seinen Neffen adoptieren, den Sohn seines Zwillingsbruders. Der Mann hatte selbst keine eigenen Kinder. Der Neffe hatte noch zwei ältere Geschwister. Onkel und Neffe hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander, das sich noch mehr verfestigte, als sich die Eltern des Neffen trennten. Der Onkel finanzierte das Studium des Neffen und kaufte ihm eine Wohnung. Davon profitierte der Neffe derart, dass er eigenen Angaben zufolge bereits Millionär sei und im siebenstelligen Bereich verdiene. Seine Eltern hätten hingegen nicht studiert, sein Vater verdiene lediglich 2.000 EUR netto - dennoch habe er ein sehr gutes Verhältnis zu den leiblichen Eltern.
Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag auf Adoption ab. Unbestritten war dabei ein herzliches und gutes Verhältnis zwischen den Beteiligten. Allerdings hatte das Gericht Zweifel daran, dass der Adoption nur ein familienbezogenes Motiv zugrunde liege. Die Richter gehen vielmehr von steuerrechtlichen Gründen aus. Onkel und Neffe legten gegen die Entscheidung des AG noch Beschwerde ein. Doch auch das OLG hatte den Argumenten der Vorinstanz nichts entgegenzusetzen.
Hinweis: Bei Erwachsenenadoptionen muss dargelegt werden können, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht - ein enges soziales Band, das mehr ist als eine tiefe Freundschaft oder Verbundenheit. Wie Eltern und Kinder muss man sich gegenseitig stützen wollen, ohne "Wenn und Aber". Hier hatte sich der Neffe gern von seinem Onkel finanziell unter die Arme greifen lassen. Vor Gericht hätte man aber eine darüber hinausgehende Bindung darlegen müssen.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 30.01.2025 - 14 UF 6/25
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Eltern sind ihren Kindern gegenüber zu Unterhalt verpflichtet. Dies gilt auch bei Wiederheirat und weiteren Nachkommen. Allen Minderjährigen muss gleichrangig Unterhalt gewährt werden - auch, wenn ein Elternteil aktuell kein Einkommen hat. Dass das, was hier zu unterhaltspflichtigen Vätern bereits oft behandelt wurde, auch auf Mütter anzuwenden ist, beweist der folgende Beschluss des Amtsgerichts Landau (AG), auch wenn das Wort "Taschengeld" in diesem Zusammenhang ungewöhnlich erscheint.
Die Eltern eines noch schulpflichtigen Mädchens ließen sich scheiden. Die Schülerin lebte nun bei ihrem Vater, der auch das Kindergeld erhielt, und hatte kein eigenes Einkommen. Die Mutter heiratete wieder und bekam in dieser Ehe ein weiteres Kind. Sie arbeitet nicht, ihr Ehemann ist selbständig und derzeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Als die Tochter von der Mutter ab März 2025 Kindesunterhalt von monatlich 521,50 EUR begehrte und daneben auch rückwirkend Unterhalt von 8.672 EUR zzgl. Zinsen verlangte, weigerte sich die Mutter. Sie könne wegen der Betreuung des zweiten Kindes nicht arbeiten. Ihr Ehemann sei ihr gegenüber nicht unterhaltspflichtig, zumal seine Einkommenslage derzeit sehr schlecht sei. Ihre Tochter aus erster Ehe müsse diese Rollenwahl hinnehmen.
Mit dieser Argumentation drang sie vor dem AG aber nicht durch. Die Mutter ist allen minderjährigen Kindern gegenüber gleichrangig zum Unterhalt verpflichtet, also auch solchen aus erster Ehe. Kann sie diesen Unterhalt nicht decken, muss sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen und ebenso ihren Taschengeldanspruch gegen den aktuellen Ehemann zur Befriedigung des Unterhaltsanspruchs einsetzen. Denn was auf den ersten Blick komisch wirken mag, ist auf den zweiten Blick durchaus nachvollziehbar: Der haushaltsführende Ehegatte hat Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds gegenüber dem arbeitenden Ehegatten, sofern das Familieneinkommen nicht bereits durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird.
Hinweis: "Einmal Mutter, immer Mutter": Ein Kind aus einer weiteren Ehe entbindet nicht von den Verpflichtungen gegenüber den Kindern aus der früheren Ehe. Hier hatte es sich die Mutter schlichtweg zu einfach gemacht.
Quelle: AG Landau, Beschl. v. 13.02.2025 - 003 F 331/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Um Kinder zu schützen, kann es notwendig werden, diese ganz oder teilweise aus der Obhut ihrer Eltern zu nehmen. Entscheidungsgrundlage muss dabei immer das Kindeswohl sein. Zur Bestrafung der Eltern darf eine so einschneidende Maßnahme nicht erfolgen, wie dieser Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) beweist.
Die Eltern dreier Kinder im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren leben seit 2022 getrennt, sind aber noch verheiratet und üben das Sorgerecht für die bei der Frau lebenden Kinder gemeinsam aus. Zwischen den Eltern kam es immer wieder zu massivem Streit, und der Vater beantragte schließlich das alleinige Sorgerecht. Seiner Ansicht nach manipuliere die Mutter die Kinder und verhindere einen regelmäßigen Umgang. Im darauf erfolgten Verfahren wurde diskutiert, die Kinder in eine Jugendhilfeeinrichtung zu geben. Die Mutter lehnte dies jedoch kategorisch ab, sie wollte so eine Einrichtung nicht einmal kennenlernen. Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und übertrug es auf das Jugendamt. Die Kinder kamen in eine sogenannte Wochengruppe und sahen die Eltern nur noch im Wechsel an den Wochenenden.
Die Eltern legten gemeinsam Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und gewannen vor dem OLG. Das übertrug die elterliche Sorge wieder auf die Eltern, die Kinder kehrten zur Mutter zurück. Die Unterbringung in der Wochengruppe war unverhältnismäßig, da die Gesamtsituation der Kinder auch durch andere Mittel hätte verbessert werden können. Durch den Umzug in die Wochengruppe seien die Kinder völlig entwurzelt und sozial isoliert worden.
Hinweis: Kindesschutzrechtliche Maßnahmen sind streng am Kindeswohl zu orientieren. Niemals darf versucht werden, über Unterbringungsmaßnahmen die Eltern zu bestrafen. Konflikte zwischen den Eltern müssen anderweitig gelöst werden, beispielsweise über eine Familientherapie. Gut war es hier, dass sich die Eltern gemeinsam gegen die Entscheidung des Gerichts gewehrt hatten.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.01.2025 - 1 UF 186/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Zum Thema Mietrecht
- Heiz- und Lüftungsverhalten: Vermieter haften nicht für Schimmelbeseitigung, wenn die Entstehung nicht ihnen anzulasten ist
- Kündigung vor Vertragsunterzeichnung: Maklerin büßt durch treuwidriges Verhalten Provision ein
- Mieter tragen Verfahrenskosten: Wer es trotz berechtigten Räumungsanspruchs des Vermieters auf einen Prozess anlegt, der zahlt
- Neuer Verteilungsschlüssel: BGH hält Änderung der Kostenverteilung durch Wohnungseigentümerversammlung für rechtens
- Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs: BGH erklärt Kündigung von DDR-Altmietvertrag grundsätzlich für zulässig
Es mag zwar ein alter Hut sein, Schimmel auf Mieterseite abzuwälzen, dennoch hat diese Methode dann Erfolg, wenn der Mieter seine Pflichten zur Vermeidung in der Tat nicht erfüllt. Das Landgericht Landshut (LG) musste sich mit der Frage beschäftigen, welche Kenntnisse Mieter zum Heiz- und Lüftungsverhalten überhaupt haben müssen.
In einer Mietwohnung waren im Jahr 2001 neue Fenster eingebaut worden. Etwa zehn Jahre später kam es zu einer Schimmelbildung. Die Mieter wurden darauf hingewiesen, dass die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung zu reduzieren sei und dies durch "vermehrtes, richtiges Lüften" erreicht werden könne. Dennoch trat rund weitere zehn Jahre später erneut Schimmel auf. Die Miete wurde daraufhin nur unter Vorbehalt bezahlt. Schließlich legte die Mieterseite eine Klage auf Beseitigung des Schimmels ein.
Doch laut LG hatten die Mieter keinen Anspruch auf Beseitigung des Schimmels, weil kein Mangel der Mietsache vorlag, den die Vermieterseite zu vertreten hatte. Die Mieter hatten schlichtweg falsch gelüftet. Das entsprechende richtige Lüftungsverhalten mussten sie mittlerweile kennen. Danach ist es grundsätzlich üblich, zweimal täglich für rund zehn Minuten zu lüften und besondere Feuchtigkeit gesondert abzuführen. Es kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass ein Lüften mit dem Öffnen sämtlicher in der Wohnung vorhandener und teilweise gegenüberliegender Fenster in kürzester Zeit erheblich mehr frische Luft in die Wohnung bringt als das Stoßlüften eines einzelnen Raums.
Hinweis: Vermieter sollten jeden neuen Mieter schriftlich über das richtige Heiz- und Lüftungsverhalten informieren. So kann es später nicht zu Streit und vor allem nicht zu vermeidbaren Schäden kommen.
Quelle: LG Landshut, Urt. v. 08.01.2025 - 15 S 339/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Wer Verträge kündigen will, sollte wissen, was er tut. Denn wie das folgende Beispiel anhand eines Maklervertrags zeigt, schneidet man sich ansonsten schnell ins eigene Fleisch - vor allem, wenn man sich augenscheinlich im Recht sieht. Diesen interessanten Fall über die erfolglos eingeklagte Provision hatte das Landgericht Koblenz (LG) zu entscheiden.
Eine bundesweit tätige Online-Immobilienmaklerin vermittelte an eine Kundin ein Objekt für 145.000 EUR. Zuvor war ordnungsgemäß ein Maklervertrag mit einer Provisionsvereinbarung von 3,57 % bei einem erfolgreichen Kauf abgeschlossen worden. Noch vor Unterzeichnung des Kaufvertrags kam es dann aber zu Unstimmigkeiten, insbesondere über Nachweise zur Finanzierung des Kaufs. Diese eskalierten in einem Telefonat der Maklerin mit dem Lebensgefährten der Kundin, das die Maklerin als Drohung auffasste. Der Lebensgefährte äußert sich dahingehend, dass keine Provision mehr bezahlt werden würde. Wegen dieser Drohung entschied sich die Maklerin, keine weiteren Leistungen mehr zu erbringen und den Maklervertrag noch vor Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags zu kündigen. Trotzdem forderte sie von der Frau den Maklerlohn. Schließlich habe sie mit der Vermittlung des Kaufvertrags die ihr obliegende Leistung vollständig erbracht. Sie klagte ihr Geld ein, allerdings vergeblich.
Die Kündigung des Vertrags und die Verweigerung jeglicher weiterer Unterstützung beim Immobilienkauf sei in Augen des LG treuwidrig gewesen, da die Begründung zur Kündigung des Maklervertrags nicht etwa das Verhalten der Kundin, sondern ausschließlich das Verhalten von deren Lebensgefährten betraf. Dieser war jedoch nicht Vertragspartner der Maklerin. Infolgedessen hat die Maklerin auch keinen Anspruch auf ihren Lohn, obwohl es dennoch zum Verkauf der von ihr vermittelten Immobilie kam.
Hinweis: Vor der Kündigung eines Vertrags sollten stets die Folgen bedacht werden. Im Zweifel hilft ein Rechtsanwalt, die Rechtslage besser einschätzen zu können.
Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 07.11.2024 - 1 O 68/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Räumungsprozesse sind eine teure Angelegenheit. Klar ist zwar, dass dieser Grund niemanden abschrecken sollte, sein gutes Recht einzufordern. Dennoch bleibt Obacht angesagt, wenn man sich lediglich im Recht fühlt! Wer auf juristischen Rat im Voraus verzichtet, muss sich dann auch einem eventuell kostspielig endenden Urteil fügen, wie es im Folgenden das Oberlandesgericht Dresden (OLG) ausspricht.
Nach Kündigung dreier Gewerbemieter und einer außergerichtlichen Vergleichsverhandlung der beteiligten Parteien erhob deren Vermieterin schließlich eine Räumungsklage. Etwa einen Monat später kam es zur Übergabe einiger Schlüssel, und bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (LG) erklärten die Mieter schließlich, keine weiteren Schlüssel zu den Räumen und auch keinen Besitzwillen mehr zu haben. Daraufhin erklärten die Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Nun standen aber noch die Kosten des Rechtsstreits im Raum. Und diese sollten nach der erstinstanzlichen Entscheidung die Mieter übernehmen. Diese wehrten sich dagegen mit einer Beschwerde.
Das OLG sah die Angelegenheit jedoch genauso wie die vorinstanzlichen Kollegen des LG. Ein Mieter muss vollständig und unzweideutig seinen Besitz am Mietobjekt aufgeben. Eben das war aber erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LG geschehen. Und da die Räumungsklage im Übrigen Erfolg gehabt hätte, mussten die Mieter auch die Kosten des Verfahrens zahlen.
Hinweis: Eine vernünftige Einigung zum Auszug ist vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu empfehlen. Natürlich ist das nicht immer umzusetzen. Es könnte jedoch teure Kosten für beide Seiten ersparen.
Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 11.10.2024 - 5 W 647/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Oft genug reicht es nach Beschlüssen einer Wohnungseigentümergesellschaft (WEG), wenn ein Miteigentümer vor Gericht zieht, um die abgemachte Sache rückgängig zu machen. Denn: Das Recht ist auch hier eine haarige Angelegenheit, bei der sich rechtliche Fehler rächen. Im Folgenden hatte einmal mehr der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort, ob eine vereinbarte Kostenverteilung geändert werden könne oder beim Alten bleiben müsse.
Es ging um eine größere WEG mit 30 Wohnungseigentumseinheiten und 25 Stellplätzen. In der Teilungserklärung aus dem Jahr 1984 stand, dass öffentliche Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzungskosten jeweils nach Miteigentumsanteil getragen werden. Für die Heizungskosten sah die Teilungserklärung eine Umlage nach dem Verhältnis der beheizten Flächen vor. Im Jahr 2021 wurde dann jedoch beschlossen, die aktuell nach Miteigentumsanteilen umgelegten Kosten künftig nach der beheizbaren Wohnfläche zu verteilen und diesen Schlüssel auch für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage anzuwenden. Gegen diese Beschlüsse wandten sich einige Eigentümer vor den Gerichten.
Der BGH war letztendlich der Auffassung, dass die angefochtenen Beschlüsse durchaus rechtmäßig ergangen waren. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Wohnungseigentumsgesetz können die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine abweichende Verteilung beschließen.
Hinweis: Immerhin ist das Ganze aus Sicht der meisten Miteigentümer gut ausgegangen. Oft genug jedoch scheitern WEG-Beschlüsse vor Gericht. Bei Änderungen der Kostenverteilung in der WEG ist daher ein vorheriger Gang zum Rechtsanwalt stets sinnvoll. Der kann prüfen, ob und wie solche Änderungen rechtssicher vorgenommen werden können.
Quelle: BGH, Urt. v. 14.02.2025 - V ZR 128/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Wer eine Wohnung hat, gibt sie meist nur ungern auf. Eben deshalb laufen Mietverträge oft auch über viele Jahrzehnte. Das birgt besonders hierzulande eine besondere Herausforderung, und der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit der Kündigung eines DDR-Altmietvertrags beschäftigen.
Ein Ehepaar war aufgrund eines im Juli 1990 mit dem Volkseigenen Betrieb Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg geschlossenen Formularmietvertrags Mieter einer Dreiraumwohnung im früheren Ost-Berlin, der auf unbestimmte Zeit geschlossen worden war. Im Mietvertrag war in Anlehnung an die seinerzeit in Ost-Berlin geltende Vorschrift § 120 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik bestimmt, dass das Mietverhältnis entweder durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens des Mieters oder durch gerichtliche Aufhebung endet. Nun gab es jedoch einen neuen Eigentümer der Wohnung - und der kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs und erhob eine Räumungsklage.
Trotz des Ausschlusses des Kündigungsrechts des Vermieters nach dem ehemaligen DDR-Recht war nach Auffassung des BGH eine Kündigung grundsätzlich möglich. Es gilt nämlich das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ob in diesem Fall aber auch tatsächlich ein Eigenbedarfsgrund vorliege, müsse nun erst einmal die Vorinstanz prüfen.
Hinweis: Falls ein Vermieter die Kündigung eines Mietverhältnisses aussprechen möchte, ist der Gang zum Rechtsanwalt nicht der schlechteste Tipp. Das kann viel Zeit und Geld sparen. Auf der Mieterseite ist nach einer erhaltenen Kündigung dieser Gang fast immer erforderlich. Der Anwalt kann prüfen, ob die Kündigung rechtmäßig erfolgte oder nicht - besonders, was den behaupteten Eigenbedarf betrifft.
Quelle: BGH, Urt. v. 13.11.2024 - VIII ZR 15/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Zum Thema Verkehrsrecht
- 146 km/h statt 60 km/h: Argumentation zu angeblich verwirrenden Klappschildern wird zum Eigentor
- 15 Monate Fahrtenbuchauflage: Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts schützt nicht vor Konsequenzen
- Ersatz einer Felge: Halter muss uneinheitlichen Felgensatz an acht Jahre altem Audi A4 akzeptieren
- Hinzunehmendes Maß: Kein Anspruch auf Temporeduzierung auf der Autobahn
- Loch im Grünstreifen: Keine Verkehrssicherungspflichtverletzung bei für den Verkehr nicht geöffneten Bereichen
Sich blöd zu stellen, sobald man eines Fehlers überführt wird, ist nur selten ein guter juristischer Ratschlag. So musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) im folgenden Fall klarstellen, dass die Argumentation, mit der sich der betreffende Autofahrer gegen Geldbuße und Fahrverbot zu wehren versuchte, eher zu negativen Rückschlüssen bezüglich seiner geistigen Fahrtauglichkeit führen kann.
Der Autofahrer befuhr die A 7 Richtung Kassel mit 146 km/h. Im Bereich einer Lkw-Kontrolle war aus Sicherheitsgründen die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h reduziert und ein Überholverbot für Lkws und Busse angeordnet worden - und zwar über sogenannte Klappschilder, die bereits vorbereitet an der Autobahn angebracht sind und im Bedarfsfall ausgeklappt werden. Der Mann wurde schließlich vom Amtsgericht Fulda wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 86 km/h zu einer Geldbuße von 900 EUR verurteilt. Ein dreimonatiges Fahrverbot gab es obendrein. Beides wollte der Autofahrer nicht auf sich sitzen lassen - und legte Rechtsbeschwerde ein.
Das OLG hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Ohne Erfolg berief sich der Betroffene auf eine "völlig verwirrende Beschilderung". Es war für das OLG schlichtweg nicht ersichtlich, was im Hinblick auf die - mit Lichtbildern dokumentierte - Beschilderung konkret verwirrend gewesen sein sollte. Eine Antwort gab es auf das richterliche Stirnrunzeln auch nicht, da hierzu auch nichts Konkretes vom Betroffenen vorgetragen worden sei. Dass er bereits diese einfache und klar verständliche Anordnung nicht verstehe, begründe keinen Verbotsirrtum, wie sein Verteidiger vortrug, sondern lediglich die Notwendigkeit der Überprüfung, ob der Betroffene nach eigenem Bekunden kognitiv in der Lage sei, weiterhin am Straßenverkehr teilzunehmen. Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist zudem derjenige, der "etwas nicht versteht" und sich damit in einer "unsicheren und ungewissen" Verkehrssituation befindet, ohnehin zu ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Wer Verkehrsschilder nicht versteht oder nicht verstehen will und genau das Gegenteil tut, indem er 146 km/h statt 60 km/h fahre, handelt vorsätzlich. Er entscheidet sich bewusst und gewollt dazu, die Regelungen und die Verkehrssituation zu ignorieren. Damit stellt er sich mit Absicht gegen die Rechtsordnung und gefährdet bewusst und gewollt andere allein um des eigenen schnelleren Fortkommens willen.
Hinweis: Nach § 1 Abs. 1 StVO ist derjenige, der "etwas nicht versteht" und sich damit in einer "unsicheren und ungewissen" Verkehrssituation befindet, zu ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.01.2025 - 2 Orbs 4/25
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 04/2025)
Sich in Sachen Anhörungsbogen stumm zu stellen, wenn mit dem eigenen Fahrzeug ein Geschwindigkeitsverstoß begangen wurde, ist gutes Recht. Daraus aber auch abzuleiten, dass einem selbst keinerlei Konsequenzen drohen, sobald man sich auf dieses Zeugnisverweigerungsrecht beruft, das dazu führt, dass der Täter nicht gefunden werden kann, ist ein Irrtum. Das hat das Verwaltungsgericht Aachen (VG) bestätigt.
Ein Fahrzeughalter wurde angeschrieben, nachdem innerorts ein Geschwindigkeitsverstoß mit seinem Fahrzeug um 46 km/h festgestellt wurde. Zunächst wurde ihm ein Anhörungsbogen zugesandt, den er nicht beantwortete. Dann wurden weitere Ermittlungsversuche vorgenommen (Lichtbildabgleich, Ermittlungsdienst), die ebenfalls nicht zum Erfolg führten. Letztlich wurde das Verfahren eingestellt, dem Fahrer eine Fahrtenbuchauflage erteilt und der sofortige Vollzug angeordnet. Dagegen legte der Mann Rechtsmittel ein und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Diese sei zu gewähren, weil die Anordnung rechtswidrig sei - es habe schließlich ein Zeugnisverweigerungsrecht bestanden.
Das VG wies jedoch den Antrag ab. Es sei behördlich alles Zumutbare unternommen worden, den Fahrer zu ermitteln. Obwohl der Halter ein Zeugnisverweigerungsrecht gehabt habe, sei kein Anspruch darauf gegeben, dass auf die Fahrtenbuchauflage zu verzichten sei. Das mit der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts verbundene Risiko, dass auch zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht hinnehmen. Der Halter eines Kraftfahrzeugs hat kein doppeltes Recht, nach einem Verkehrsverstoß einerseits die Aussage zu verweigern (oder auch nur einfach zu unterlassen) und andererseits trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben.
Hinweis: Zu angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört, dass der Fahrzeughalter umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - über den begangenen Verkehrsverstoß in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Diese Benachrichtigung begründet eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört, dass er den ihm bekannten oder per Lichtbild zu identifizierenden Fahrer benennt, oder - wenn der Fahrer auf dem Foto nicht zu erkennen ist - zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.
Quelle: VG Aachen, Beschl. v. 29.11.2024 - 10 L 947/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Die Felgenbeschaffenheit ist für so manchen Autoliebhaber sehr wichtig. Für Versicherungen zählt hingegen lediglich die Funktionsfähigkeit der Felgen - besonders, wenn sie diese zu ersetzen haben. Beide Sichtweisen so miteinander abzuwägen, dass es dem geltenden Recht entspricht, war die Aufgabe des Amtsgerichts Brandenburg (AG).
Ein Autofahrer wurde unverschuldet zum Unfallgeschädigten und hatte unter anderem an seinem Fahrzeug die Beschädigung einer Alufelge zu beklagen. Die Haftung der Versicherung war unstreitig, sie weigerte sich aber, einen kompletten Felgensatz zu bezahlen, da schließlich nur eine Felge beschädigt worden war. Daher reiche der Ersatz nur einer Felge oder gar die Aufarbeitung der beschädigten Felge. Der Geschädigte wies darauf hin, dass diese Felgen nicht mehr produziert würden und daher ein kompletter Satz neuer Felgen zu bezahlen sei. Eine reparierte Felge dürfe nicht montiert werden.
Das AG wies die Klage ab. Richtig sei zwar, dass entsprechend den Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums (Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 10.10.2008 und Verlautbarung des Bundesministeriums für Verkehr aus dem Jahr 2010) reparierte Leichtmetall-/Aluminiumfelgen nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden dürfen. Eine Reparatur sei daher auch bei der vorliegenden Beschädigung nicht möglich. Bei einem acht Jahre alten Audi A6 sei der Austausch nur der beschädigten Felge durch eine neue, ähnliche Felge jedoch völlig ausreichend. Eine Wertminderung des Fahrzeugs durch unterschiedliche Felgen wurde weder im Schadensgutachten festgestellt noch vom Kläger nachgewiesen. Das Gericht stellte allerdings fest, dass dies bei Ausstellungsfahrzeugen, Oldtimern oder Luxusfahrzeugen durchaus anders bewertet werden kann.
Hinweis: Erlaubt ist es nur, Leichtmetallräder "aufzubereiten". Lediglich rein optische Defekte - wie ganz kleine Kratzer, Schrammen oder Korrosion - dürfen somit ausgebessert werden, so dass die von der Beklagtenseite angeführte eventuelle Reparatur dieser einen Leichtmetall-/Alufelge hier nicht hätte erfolgen dürfen.
Quelle: AG Brandenburg an der Havel, Urt. v. 14.11.2024 - 31 C 238/21
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Die Kläger in diesem Fall waren Eigentümer eines Grundstücks mit - freundlich ausgedrückt - hervorragender Verkehrsanbindung. So musste sich das Verwaltungsgericht Köln (VG) kürzlich mit dem Anspruch des betreffenden Ehepaars auf Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf der nahegelegenen Autobahn in Höhe ihres Stadtteils auf 80 km/h auseinandersetzen.
Die Kläger wohnen etwa 350 Meter von einer Autobahn entfernt. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auf Höhe ihres Grundstücks in beiden Fahrtrichtungen 130 km/h. Nachdem die zuständige Autobahn GmbH des Bundes den Antrag auf Temporeduzierung abgelehnt hatte, verfolgten die Kläger ihr Begehren im gerichtlichen Verfahren weiter. Sie verwiesen auf eine erhebliche Lärmbeeinträchtigung, die einschlägige Grenzwerte überschreiten würde.
Das VG hat die gegen die Autobahn GmbH des Bundes gerichtete Klage abgewiesen. Zwar sei es richtig, dass die Lärmbeeinträchtigungen die Schwelle der Zumutbarkeit überschreiten. Die Beklagte habe im Rahmen ihres daraus erwachsenden Ermessens jedoch die Interessen der Kläger mit den Belangen des Straßenverkehrs in einer nicht zu beanstandenden Weise abgewogen und sich rechtmäßig gegen eine Temporeduzierung entschieden. Dabei habe sie berücksichtigt, dass das von Anliegern hinzunehmende Maß an Verkehrslärm auch von der Klassifizierung der Straße als Bundesautobahn abhängt. Das Maß der mit einer Temporeduzierung zu erreichenden Lärmminderung wäre mit weniger als 3 db(A) vergleichsweise gering. Schließlich sei die Lärmvorbelastung des Grundstücks zu beachten. Das Grundstück liegt auch in der Nähe der Landstraße L 261, bei der die innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf Höhe des klägerischen Grundstücks aufgehoben wird, was zu Beschleunigungsvorgängen und damit zu Lärmbelastungen führe. Soweit die Kläger vor allem auf Lärm abstellten, der von Motorrädern ausgeht, spreche vieles dafür, dass dies die Nutzung der L 261 betrifft und nicht der Autobahn.
Hinweis: Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten - oder den Verkehr umleiten. Bei der Prüfung, welcher Verkehrslärmschutz im Einzelfall rechtlich zulässig und geboten ist, ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen.
Quelle: VG Köln, Urt. v. 20.12.2024 - 18 K 5499/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Ein Grünstreifen erfüllt gleich mehrere Funktionen: ob zur Trennung von Fahrbahnen und -richtungen oder auch einfach als optische Auflockerung durch ein wenig Grün in der Welt von Asphalt und Beton. Zudem muss er oft für Abkürzungen als Verkehrsweg von Fußgängern herhalten. Ob er dafür jedoch von der zuständigen Behörde auch verkehrssicher gehalten werden muss, musste das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) klären.
Neben einer Fahrbahn befand sich ein Grünstreifen. Die dort gepflanzten Bäume waren mit Holzpfählen umbaut, um das Parken bzw. Anfahren durch Pkws zu verhindern. Nachdem einer dieser Pfähle herausgezogen und entfernt worden war, klaffte an dieser Stelle des Grünstreifens logischerweise ein Loch. Und eben dieses Loch wurde weder verfüllt, noch wurde eine Markierung angebracht. Als nun eine Fußgängerin diesen Grünstreifen betrat, um von dort aus die Straße zu überqueren, übersah sie das Loch, trat hinein und verletzte sich erheblich. Sie wandte sich an die Gemeinde, da sie der Ansicht war, diese habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, denn ein schwer erkennbares Loch müsse verfüllt oder kenntlich gemacht werden. Die hinter der Gemeinde stehende Versicherung verweigerte jedoch die Zahlung. Da der Teil des Grünstreifens kein Fußgängerbereich gewesen sei, habe es keine entsprechende Pflicht gegeben.
Das zunächst angerufene Landgericht wies die Klage ab, und auch das OLG teilte als Folgeinstanz diese Rechtsansicht. Eine Gemeinde habe selbstverständlich die Pflicht, die Straßen in einem Zustand zu erhalten, der den Verkehrsbedürfnissen entspricht. Dabei sei der Begriff "Straße" auch nicht allein auf die Fahrbahn beschränkt, sondern umfasse auch die Bestandteile einer Straße - so auch den Grünstreifen. Dieser zeigte hier aber keine die Verkehrssicherheit auf der Gemeindestraße selbst beeinträchtigende Gestaltung. Ebenso wenig begründete er für sich eine Gefahr für den Verkehr - für den Fußverkehr geöffnet war er nämlich nicht. Die Sicherheitsanforderungen an einen Gehweg hätten daher auf dem Grünstreifen nicht erfüllt werden müssen. Die Nutzung des Grünstreifens durch die Fußgängerin musste daher mit "eigenüblicher" Sorgfalt vonstattengehen. Da die Geschädigte einen Bereich nutzte, der nicht dem Fußgängerverkehr diente, konnte sie sich also auch nicht auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung berufen.
Hinweis: Wer den sicheren Weg verlässt, um ein wild bewachsenes und naturbelassenes Gelände zu betreten, hat ein erhöhtes Maß an Sorgfalt walten zu lassen. Er hat mit unterschiedlichen Bepflanzungen, Bodenunebenheiten, auf dem Boden liegenden Ästen, Maulwurfshügeln etc. zu rechnen und daher besonders darauf zu achten, wohin er seinen Fuß setzt. Eine besondere Absicherung oder gar ein Hinweis auf diesen Umstand ist nicht erforderlich.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 06.12.2024 - 2 U 60/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Abgebrochene USA-Reise: Rückerstattung nach unverschuldetem Unfall mit dem Wohnmobil
- Allgemeines Lebensrisiko: Reitverein haftet nicht für die Folgen von eingetretenem Nagel im Pferdehuf
- Probe-BahnCard: Kündigungsfrist rechtmäßig - Schriftform als Bedingung hingegen nicht
- Verschuldenshaftung oder nicht? Ein 13-Jähriger taumelt nach Jux auf Drehscheibe gegen Fensterscheibe
- Vier Verbrauchsstellen, zwei Zähler: Ernsthaft anzuzweifelnde Stromabrechnung muss nicht beglichen werden
Wenn nach einem unverschuldeten Unfall das Reisemobil immobil geworden ist, ist es entscheidend, wie schnell Ersatz herangeschafft werden kann. Der hier behandelte USA-Trip mit Camper blieb jedoch ohne Wohnmobil. Ob ein derartiger Reinfall der Reiseveranstalterin anzulasten ist - schließlich beinhaltete der Reisevertrag unter anderem auch die Zurverfügungstellung eines Wohnmobils -, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) klären.
Ein Mann hatte eine Pauschalreise in den USA für einen Monat - bestehend aus Flügen, Hotelaufenthalt, Transfers und der Buchung eines Wohnmobils - gebucht. Nach rund zwei Wochen hatte das Wohnmobil durch ein Fremdverschulden einen erheblichen Schaden erlitten, so dass die Reise nicht fortgesetzt werden konnte. Der Mann und sein Begleiter brachen die Reise dann auch ab, nachdem sie kein Ersatzfahrzeug erhalten hatten. Folglich verlangten sie nun Minderung, Schadensersatz und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt etwa 6.700 EUR.
Ganz so großzügig fiel das Urteil des OLG zwar nicht aus - doch immerhin 3.500 EUR sprach das Gericht den Reisenden zu. Der Umstand, dass das Reisemobil nicht mehr zur Verfügung gestellt werden konnte, stellte in der Tat einen Reisemangel dar, der nicht rechtzeitig behoben wurde. Ebenso erhielten die Kläger auch die Hotel- und Mietwagenkosten ersetzt, da sie letztendlich irgendwo übernachten mussten, nachdem ihr fahrbares Obdach nicht mehr zur Verfügung stand und sie von der Polizei an einer Mietwagenstation abgesetzt worden waren. Einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht hat das Gericht hingegen nicht erkannt, da die Reiseveranstalterin dieser trotz geringfügiger Überschreitung der hierbei geltenden 24-Stunden-Grenze nachgekommen sei und eine zumutbare Alternative angeboten hatte.
Hinweis: Bei Reisemängeln ist es häufig entscheidend, dass der Mangel noch vor Ort dem Reiseveranstalter angezeigt und um Abhilfe gebeten wird. Andernfalls sind Ansprüche der Reisenden in der Regel nicht durchsetzbar.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.12.2024 - 16 U 82/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Immer wieder landen Fälle vor den Gerichten, die ehrlicherweise auch von Klägerseite nicht zu verhindern gewesen wären. Ein gutes Beispiel: Ein Pferd tritt in einen Nagel. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste sich daraufhin damit beschäftigen, ob die Pferdehalterin nach einem derartigen Fehltritt ihres Huftiers einen Schadensersatzanspruch hat - oder eben nicht.
Die Eigentümerin des betreffenden Pferds hatte für eben dieses auf dem Gelände eines Reit- und Fahrvereins einen Einstellvertrag abgeschlossen und es dort untergebracht. Der Verein war verpflichtet, das Pferd mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Pflegers zu füttern, zu misten sowie Krankheiten und andere Vorkommnisse unverzüglich zu melden. Nun aber trat das Pferd dennoch in einen Hufnagel und verletzte sich dabei erheblich. Die Eigentümerin verlangte daraufhin vom Verein die Erstattung der Heilbehandlungskosten und klagte.
Die Klage wurde vom OLG allerdings abgewiesen. Tritt sich ein Pferd auf einem von einem Reitverein bewirtschafteten Außengelände einen einzelnen Nagel in den Huf, verwirklicht sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Reitverein regelmäßig zumutbare Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen hat - und eben genau das war hier der Fall.
Hinweis: Ein gutes und beruhigendes Urteil für Vereine. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass dieses Urteil nur deshalb zugunsten des Vereins ausging, da dieser offensichtlich regelmäßig zumutbare Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit vorgenommen hatte.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 10.12.2024 - 26 U 24/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
"Mit der Probe-BahnCard 3 Monate fahren und sparen!" - ein tatsächlich verlockendes Angebot der Deutschen Bahn, das bereits ab 19,90 EUR zu haben ist. Die sechswöchige Kündigungsfrist dieser BahnCard-Variante fand ein Verbraucherschutzverein hingegen nicht in Ordnung. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) war gefragt.
Ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG bot in der Vergangenheit über seine Website den Abschluss von Verträgen zum Erwerb einer Probe-BahnCard an. Dort wies es bis zum Anfang 2023 darauf hin, dass die Probe-BahnCard mit einer Frist von sechs Wochen kündbar ist und sich ohne Kündigung in ein unbefristetes Abo der regulären BahnCard mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr verlängert. Danach müsse man schriftlich kündigen. Dagegen zog eine Verbraucherschutzorganisation vor das Gericht.
Das OLG sah die Angelegenheit differenzierter. Die sechswöchige Kündigungsfrist der Probe BahnCard war zwar durchaus rechtmäßig - unzulässig hingegen sei es aber, die Kündigung an die Schriftform (mit qualifizierter Unterschrift) zu binden. Nach dem Gesetz reicht dafür nämlich die Textform aus - also die abgespeckte Variante, die auch auf elektronischem Schriftweg ohne qualifizierte Unterschrift erfolgen kann.
Hinweis: Beim Abschluss von Vertragsabschlüssen sollte stets ein Blick auf die Kündigungsregelungen geworfen werden. Nur dann können sich Verbraucher sicher sein, mit welcher Frist sie einen Vertrag zu kündigen haben.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.12.2024 - 6 U 206/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Das gute alte Drehkarussell übt seit Generationen einen nahezu unwiderstehlichen Reiz auf kleine und große Kinder aus, ihren Wagemut an Ort und Stelle unter Beweis zu stellen. Zwar ging es hier nicht um einen Sturz als Folge jugendlichen Übermuts, doch auch ein Drehwurm hatte es durchaus in sich. Das Landgericht Frankenthal (LG) musste daher entscheiden, ob einem jungen Menschen ein folglich entstandener Glasbruch anzurechnen sei.
Ein 13-Jähriger hatte sich auf dem Schulweg auf den Klassiker unter den Spielgeräten gestellt, und sein Freund drehte dieses Drehkarussell - anfänglich langsam und dann immer schneller, logisch. Als der Kumpel die Drehung schließlich stoppte, taumelte der Heranwachsende rücklinks gegen ein knapp drei Meter entferntes Fenster eines Ladengeschäfts. Das tat, was Glas unter Belastung gern mal tut - die Fensterscheibe zerbrach. Der Ladenbesitzer verlangte nun Schadensersatz von dem 13-Jährigen und klagte. Sturzgefahr und Glasbruch seien für den augenscheinlich nicht mehr so jungen Jungen schließlich zu erahnen gewesen. Ferner sei dieser sowieso zu alt für ein derartiges Karussell gewesen und habe sich zudem auch noch viel zu schnell drehen lassen.
Das LG wies die Klage jedoch ab. Zwar sei sich der Jugendliche nach Ansicht der Richter der Stolpergefahr bewusst gewesen, zudem zeigte er sich hinreichend einsichtsfähig. Allein dies waren bereits zwei Gründe, die ihn auch als Minderjähriger hätten grundsätzlich haften lassen. Aber: Ein Verschulden konnte das LG hier schlichtweg nicht erkennen. Der Junge hatte das Spielgerät bestimmungsgemäß genutzt und die Fensterscheibe weder vorsätzlich noch fahrlässig beschädigt.
Hinweis: Der Ladenbesitzer musste seinen Glasschaden demnach selber regulieren. Die Richter hatten sein Problem durchaus anerkannt, jedoch auch deutlich darauf hingewiesen, dass grundsätzlich das Prinzip der Verschuldenshaftung gilt. Wenn jemand einen Schaden verursacht, ohne das nicht wenigstens fahrlässig getan zu haben, kommt eine Haftung in der Regel nicht in Betracht.
Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 29.11.2024 - 9 O 27/24
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(aus: Ausgabe 04/2025)
Das folgende Vertragsverhältnis dauerte zwar nur kurz, da sich das Mietobjekt in einem Gewerbegebiet befand und daher wieder aufgekündigt werden musste - für einen Streit mit dem Stromanbieter reichten die vier Monate jedoch aus. Das Landgericht Lübeck (LG) musste in dieser Sache prüfen, ob unter bestimmten Voraussetzungen eine Stromrechnung bei offensichtlichen Fehlern nicht beglichen werden müsse.
Ein Mann mietete für seine Mitarbeiter für den Zeitraum Juli bis Oktober eine Wohnung in einem Gebäude mit mehreren Gewerbeeinheiten. Als der Mietvertrag nach kurzer Zeit beendet wurde und der Mann vom Stromanbieter eine Rechnung über fast 18.000 EUR bekam, zahlte er diese nicht, woraufhin der Stromanbieter seine Klage einreichte. Der Stromanbieter berief sich wie üblich auf jene Zählerstände, die in einem Übergabeprotokoll festgehalten worden waren. Der ehemalige Mieter wendete jedoch ein, dass es in dem Gebäude vier Verbrauchsstellen, aber nur zwei Stromzähler gebe. Der berechnete Strom sei nicht in der von ihm angemieteten Wohnung verbraucht worden.
Das LG wies die Klage des Anbieters entsprechend ab, denn die Stromrechnung musste in der Tat nicht bezahlt werden. Stromkunden können die Zahlung von Stromrechnungen nämlich durchaus verweigern, sobald die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Abrechnungsfehlers besteht.
Hinweis: Solche Fälle sind für Verbraucher - und sicherlich auch für die Versorger - stets ärgerlich. Wichtig ist und bleibt daher, bei Ein- und Auszug die Zählerstände beweissicher durch ein Foto festzuhalten.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 17.10.2024 - 5 O 125/23
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(aus: Ausgabe 04/2025)